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Wie Bindungstrauma und Beziehungsprobleme zusammenhängen

Ein Bindungstrauma oder Entwicklungstrauma entsteht in der allerersten Lebenszeit. Je nachdem, wie unsere Eltern mit uns umgegangen sind, erleben wir die Welt, lernen wir, welchen Wert wir haben und wie Beziehung geht. Solange unsere Eltern das gut und unterstützend machen, ist es nicht schlimm, dass wir als Menschen so lange von den eigenen Eltern abhängig sind. Machen die Eltern das aber schlecht oder auch sehr ambivalent, hat das weitreichende Folgen für unser weiteres Leben. Schlechtes Selbstwertgefühl, Beziehungsprobleme mit anderen und auch mit sich selbst, psychische Probleme wie Angststörungen, Depressionen, Trennungs- und Verlustängste, Süchte, usw. können die Folge sein.


Ein Bindungstrauma bzw. die daraus folgende Bindungsstörung entsteht nicht nur durch schwerwiegende Ereignisse wie Vernachlässigung und körperliche und/oder sexuelle Gewalt. Auch wenn zum Beispiel eine Mutter selbst große Ängste hat, zu versagen und das Kind nicht richtig zu behandeln, überträgt sich diese Unsicherheit auf das Kind und eine unsichere Bindung zwischen Mutter und Kind entsteht. Ebenso schwierig ist es, wenn Mutter oder Vater selbst sehr bedürftig sind und sich nicht wirklich konstruktiv selbst fragen, was sie im Umgang mit dem Kind anders machen könnten, sondern unbewusst vom Kind erwarten, dass es sich so verhält, dass das Elternteil das Gefühl haben kann, dass alles in Ordnung ist. Somit wird die Verantwortung für die Beziehung auf das Kind übertragen und es wird zum Elternteil für das tatsächliche Elternteil gemacht. Das nennt man Parentifizierung. Auch narzißtische Eltern, die ihre eigenen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen oder auch das Kind abwerten, erzeugen ein Bindungstrauma.


Folge eines solchen Bindungstraumas ist die oben schon genannte Bindungsstörung. Wobei Störung hier eigentlich der falsche Begriff ist. Aufgrund der sehr langen Abhängigkeitszeit von den Eltern verhält sich das Kind automatisch so, dass die Beziehung so gut wie möglich ist, um die Versorgung und das Nest zu behalten. Es passt sich an die Störung der Eltern an.


Ein Beispiel, um das besser zu verstehen: Eine Mutter verhält sich sehr ambivalent ihrer kleinen, 5-jährigen Tochter (nennen wir sie Lina) gegenüber. Manchmal ist sie Lina sehr zugewandt und verständnisvoll, lobt sie, hat Zeit und hört zu und manchmal ist sie ungeduldig und schnell wütend, bestraft das Kind und wertet es mit Worten ab. Lina weiß nicht, dass ihre Mutter das tut, weil sie sehr unsicher ist, hohe Erwartungen an sich selbst hat und daher oft überfordert ist. Sie glaubt, dass sie in den Momenten, in denen die Mutter wütend ist, etwas falsch macht. Da Lina aber noch so klein ist und alleine nicht überleben könnte, hat sich die Natur etwas ausgedacht, um Lina zu schützen. Unbewusst bildet sie "Antennen" aus, um genau mit zu bekommen, wie es der Mutter gerade geht und wie Lina sich verhalten sollte, damit sie sich möglichst nicht aufregt. Lina stellt ihre Bedürfnisse zurück und erzählt allenfalls von ganz besonders positiven Dingen, die sie erlebt hat. Verhält sie sich "falsch" oder erzählt sie "das Falsche", bekommt sie ein schlechtes Gewissen. Sie übernimmt die alleinige Verantwortung für die Beziehung, um die Mutter zu stabilisieren, damit diese sie wiederum so gut versorgt, wie nur irgendwie möglich.

Teddybär, der in einer Papiertüte voller Kleidungsstücke liegt

In der Kindheit macht das unter diesen Umständen Sinn. Im späteren erwachsenen Leben hindert es daran, eine gute, gleichwertige Beziehung aufzubauen. Ein Vertrauensproblem ist entstanden. Hierbei sind zwei unterschiedliche Ausprägungen möglich: möglichst viel emotionaler Abstand oder das Bedürfnis nach ständiger Versicherung, geliebt zu werden. Je nachdem, welche Strategie für einen selbst als Kind sinnvoller erschien: sich unsichtbar machen oder ganz besonders lieb und zuvorkommend sein.


Im ersten Fall wird sich dieses Mädchen später als Frau zum Beispiel zu Partnern hingezogen fühlen, die sie nicht wertschätzen oder nicht greifbar sind, zum Beispiel ein verheirateter Partner oder Parnerin, der/die sich nicht trennen will. Einfach deshalb, weil sie es in ihrer Kindheit als normal wahrgenommen hat, dass ihre Bedürfnisse nicht zählen. Oder sie wird sich nicht öffnen, keine wirkliche Nähe zulassen können. Oder vielleicht sogar beschließen, dass das Leben alleine doch viel besser ist. Beides, um zu vermeiden, wieder verletzt zu werden.


Im zweiten Fall wird sie sich der Liebe des Partners oder der Partnerin nie sicher sein und ständige Liebesbeweise brauchen: "Liebst du mich noch? Ist das okay, wenn ich xy mache? Oder willst du das lieber anders haben? Was habe ich falsch gemacht? Entscheide du, was richtig ist."



Wie kann man Bindungstrauma und Beziehungsprobleme überwinden?


"Liegt die Ursache meiner Probleme im Jetzt oder in meiner Vergangenheit?"


Das Komplizierte an einem Bindungstrauma, das sich in aktuellen Beziehungen zeigt, ist, dass man meist nur auf die akute Situation schaut. Man fühlt man sich VOM PARTNER nicht genug gesehen, VOM PARTNER ungerecht behandelt, VOM PARTNER genervt. Manchmal fragt man sich noch, wieso um Himmels Willen man so überreagiert, so gekränkt ist, so wütend, so verletzt, wo der Partner doch gar nichts so furchtbares gemacht hat. Und man merkt gar nicht, dass das Gefühl, dass da jetzt hochkommt, vom Verhalten des Partners oder der Partnerin (oder auch vom Chef, dem Kollegen oder der Freundin) nur ausgelöst wurde, die Ursache aber in der eigenen Kindheit liegt. Zum Teil sucht man sich tatsächlich einen Partner, der/die einen genauso wenig beachtet, wie das in der Kindheit geschehen ist, zum Teil befürchtet man es aber auch "nur" und reagiert schon auf die kleinsten Anzeichen in diese Richtung heftig.


Sich selbst eine gute Mutter oder ein guter Vater sein

Um ein Bindungstrauma zu überwinden, ist es wichtig, zuerst sich selbst und die eigene Geschichte anzuschauen, um herauszufinden, ob sich Muster in der oder den aktuellen Beziehungen und Freundschaften einfach wiederholen. Kann man das bejahen, geht es darum, das akute Thema mit der anderen Person erstmal "bei Seite zu stellen", sich selbst zu helfen und eine bessere Beziehung zu sich selbst zu entwickeln. Zum Beispiel im Rahmen einer Woche "Urlaub und Therapie" bei uns im "grauen Haus am Meer" kannst du lernen, dieses einsame und verletzte Kind von damals, dein Inneres verletztes Kind, wahr zu nehmen und für es da zu sein statt immer zu hoffen, dass dein Gegenüber die benötigte Aufmerksamkeit gibt. Du kannst lernen, dich selbst zu beschützen und auch Vertrauen zu anderen Menschen zu entwickeln statt sich schnell hilflos zu fühlen und sich in das innere Schneckenhaus zurück zu ziehen oder wütend zu werden.


Kann das geschehen, kann man anders auf die akute Situation schauen und die Beziehungsdynamiken wirklich erkennen. "Habe ich mir einen Partner ausgesucht, der/die sich genauso oder ähnlich verhält wie meine Eltern oder ist das meine Befürchtung und ich verhalte mich so, als ob er/sie meine Eltern wäre?"


Arbeit mit dem Unbewussten


Beziehungstraumata finden im Allgemeinen schon früh im Leben statt, da das Ganze ja mit dem Beziehungstrauma und der Beziehungsstörung der Eltern startet (Stichwort "transgenerationale Traumata"). Zum Teil liegt der Beginn sogar schon in der vorsprachlichen Zeit. Um hier einen guten Zugang zu sich zu bekommen, arbeite ich gerne mit sogenannten nonverbalen Methoden, wie Kunsttherapie und Meditation bzw. Hypnose. Mit "nonverbal" ist hier nicht gemeint, dass man gar nicht spricht, sondern dass (innere) Bilder im Vordergrund stehen.


Beispielsweise in der Kunsttherapie ist es auf bildnerischem Weg möglich, diesem Inneren Kind etwas zu geben, was es noch nie oder kaum bekommen hat: Zuwendung, Liebe und Verständnis. Dass ich mir das so selbst geben kann, wirkt wiederum auf mich zurück und verändert mich auf tieferer Ebene.


Bild von Paula Moderssohn-Becker, verändert durch Ölkreidestifte

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