Mehr als Worte: Wie Kunsttherapie innere Veränderung möglich macht
- Vera Arnold
- vor 3 Tagen
- 7 Min. Lesezeit
Durch Kunsttherapie bekommst du Zugang zu dem, was tief in deinem Unterbewusstsein verborgen ist – Gefühle, innere Konflikte, alte Muster.
Beim Malen, Zeichnen oder Arbeiten mit Ton oder Stein wird sichtbar, was dich im Leben blockiert und wie du damit umgehen kannst. Selbst stark belastende Themen lassen sich so in einem geschützten Raum bearbeiten.
In diesem Artikel erfährst du, wie Kunsttherapie konkret wirkt, wie eine Sitzung abläuft und welche Veränderungen sie in deinem Inneren anstoßen kann.
Inhaltsverzeichnis:

Marion (der Name ist natürlich geändert) hat sich aus meinem großen Stapel Kunstpostkarten eine ausgewählt: "Blauer Akt II" von Henri Matisse. Die Karte steht dafür, wie sie sich schon seit langem fühlt. "So verknäult, wie diese Frau aussieht, so geht es mir. Und nur Einzelteile. Ich spüre mich überhaupt nicht mehr. Ich funktioniere nur noch irgendwie." Ihre Traurigkeit und Verzweiflung sind deutlich spürbar. Sie steckt mittendrin in ihren Emotionen und fühlt sich ohnmächtig. "Lass uns etwas ausprobieren, das dir mehr Abstand zu deiner Lebenssituation verschafft. Wenn man zu nah dran steht, sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht", sage ich. "Schau dir die blaue Frau an: Wie könnte sich ihre Situation ein kleines bisschen verändern? Was bräuchte sie?" "Nimm Zeichenpapier, Schere, Kleber und Farben. Zerschneide die Farbkopie der Karte und arrangiere die Einzelteile des Bildes neu. Vielleicht möchtest du noch etwas dazu malen. Lass dich von dir selbst überraschen." Marion beginnt, das Bild zu zerschneiden und neu zu gestalten. Sie spürt unbewusst, was dieser Frau fehlt: mehr Verbindung zwischen Kopf und Körper. Beine, die nicht verknäult sind, sondern stehen und gehen können. Arme und Hände, die handlungsfähig sind.
Und dann passiert etwas, was bei der Kunsttherapie ganz häufig geschieht: Während die Klientin gestaltet, verändert sich etwas in ihr.
Warum das so ist und welche tieferen Prozesse dabei wirken, möchte ich dir in diesem Artikel zeigen. Aber lass uns erst einmal definieren, was Kunsttherapie überhaupt ist – und was sie nicht ist.
Was Kunsttherapie ist – und was sie nicht ist
Kunsttherapie ist eine noch relativ junge Therapieform, die sich Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts in England bzw. den USA entwickelt hat. Da sie ursprünglich aus der Kunsterziehung hervorging, waren Kunsttherapie und Kunstpädagogik bis in die 1970er-Jahre nicht klar voneinander getrennt. Heute ist das ganz anders.
Bildende Kunst, also Malen, Zeichnen, bildhauerisches Arbeiten, Collagen und vieles mehr, wird in beiden Bereichen eingesetzt – aber mit völlig unterschiedlichen Zielen.
In der Kunstpädagogik geht es darum …
mit verschiedenen Techniken und Materialien zu arbeiten,
unterschiedliche Kunststile kennenzulernen und auszuprobieren,
die eigene Kreativität zu fördern,
ein bestimmtes Ziel zu erreichen (zum Beispiel den Ausdruck einer Person einzufangen oder Licht und Schatten richtig darzustellen).
→ Kunstpädagogik ist ergebnisorientiert
Die Kunsttherapie fördert …
Gefühle und innere Themen auszudrücken – egal, ob man „künstlerisch begabt“ ist oder nicht,
Dinge sichtbar und damit bewusst zu machen, die man oft gar nicht in Worte fassen kann,
sich selbst besser zu verstehen, Erleichterung zu spüren oder alte Themen zu bearbeiten,
beim Gestalten neue Wege für Veränderungen auszuprobieren.
→ Kunsttherapie ist prozessorientiert
Also hat weder der Kunstunterricht in der Schule, das Malen als Hobby noch professionelles künstlerisches Arbeiten etwas mit Kunsttherapie zu tun. Wenn du in deiner Freizeit malst oder kreativ bist, kann das natürlich auch heilsam und entspannend wirken. Aber in der Kunsttherapie wird der kreative Ausdruck als Möglichkeit genutzt, Gefühle, Erinnerungen und unbewusste Prozesse sichtbar und damit veränderbar zu machen.
Es geht nicht darum, ein schönes Bild zu schaffen, sondern um das, was während des Gestaltens in dir geschieht.

Warum Kunsttherapie wirkt
1) Zugang zum Unbewussten: Bilder machen sichtbar, was sich schwer sagen lässt
Das Besondere an der Kunsttherapie ist, dass sie nicht (nur) über den Verstand funktioniert. Sie spricht eine tiefere Sprache: die des Unterbewussten, des Körpers und der Gefühle.
In Bildern und Formen können sich innere Zustände zeigen, die dem Klienten bzw. der Klientin noch nicht wirklich bewusst sind. Durch das Gestalten werden sie greifbar, sichtbar, bearbeitbar –eben bewusster.
Auf diese Weise können sich auch vorsprachliche Erfahrungen abbilden. Vorsprachlich bedeutet, dass sie aus einer Zeit stammen, in der du etwas erlebt hast, dass du weder mit dem Verstand begreifen, noch mit Worten ausdrücken konntest. Schlichtweg, weil du zu klein warst. Das kann auch Erlebnisse vor deiner Geburt beinhalten, wenn deine Mutter zum Beispiel Gewalt ausgesetzt war oder dein Zwilling im Mutterleib verstarb.
2) Distanz schaffen: Gefühle werden auf dem Papier greifbar, ohne zu überfluten
Das Gestalten in der Kunsttherapie schafft Abstand zu dem, was innerlich belastet.
Du malst etwas und da ist es – schwarz (oder bunt) auf weiß. Das Gefühl, das vorher in dir „herumgewabert“ ist, liegt nun vor dir auf dem Papier. Und du kannst einen Schritt zurücktreten, es aus der Ferne betrachten. Das allein bringt oft schon Erleichterung.
In dieser sicheren Distanz wird es möglich, sich dem Thema anzunähern, ohne davon überrollt zu werden.
3) Selbstwirksamkeit erleben: Gestalten statt nur zu reden oder nachzudenken.
Beim Malen oder Zeichnen, beim Arbeiten mit Ton, Stein oder Holz wird sichtbar: Ich kann etwas tun. Ich bin nicht mehr passiv ausgeliefert, sondern kann etwas in Bewegung bringen. Ich bin handlungsfähig und spüre meine Selbstwirksamkeit.
Diese Erfahrung ist für viele Menschen zentral – besonders, wenn sie in ihrem Leben Ohnmacht, Kontrollverlust oder Hilflosigkeit erlebt haben.
Das Bild, die Collage oder die Tongestaltung dient dabei als geschützter Experimentierraum. Hier darf ausprobiert werden, was im Alltag vielleicht noch nicht möglich ist: Grenzen setzen, Nähe zulassen, Unbekanntes austesten, Gefühle rauslassen, usw.
Das wirkt sowohl bewusst als auch unterbewusst. Und damit ist viel mehr erreicht, als mit bloßem "darüber reden" – denn unser Handeln und Empfinden wird zu über 90 Prozent vom Unterbewusstsein bestimmt.

Kunsttherapie in der Praxis – wie eine Sitzung aussehen kann
Eine kunsttherapeutische Sitzung bei mir findet in einer ruhigen, geschützten Atmosphäre statt. Künstlerische Vorerfahrungen sind nicht nötig. Es soll kein Leistungsdruck entstehen – es geht nicht darum, etwas "Schönes" zu gestalten, sondern darum, in Kontakt mit dir selbst zu kommen.
Zu Beginn steht ein Gespräch auf der bewussten Ebene:
Was ist dein Thema? An welchem Punkt kommst du nicht weiter?
In meine Arbeit fließt an dieser Stelle auch weiteres ein: das Betrachten von Inneren Anteilen, das Herausarbeiten von alten Mustern und deine Herkunftsfamilie.
Für die kunsttherapeutische Arbeit greife ich oft einen Teilaspekt heraus: "Du hast gerade von Antriebslosigkeit gesprochen: Versuche mal, gestalterisch darzustellen, wie die sich anfühlt."
Die Materialien liegen bereit – verschiedene Farben, Papier, Ton, Speckstein, Naturmaterialien – und du wählst intuitiv, was dich anspricht.
Neben freien Gestaltungen verwende ich auch Kunstpostkarten, die symbolisch für innere Anteile stehen können – zum Beispiel für das Innere Kind, den Inneren Kritiker oder einen schützenden Anteil. Die Klientin oder der Klient entscheidet sich für eine oder mehrere Karten und gestaltet daraus ein eigenes Bild – so wie Marion in unserem Eingangsbeispiel.
Während des Gestaltens selbst wird nicht gesprochen. Die Aufmerksamkeit richtet sich nach innen: auf Farben, Formen, Bewegungen und Empfindungen. Als Therapeutin bin ich präsent, halte den Raum und sorge für Sicherheit, ohne zu bewerten oder zu lenken.
Das Gespräch findet erst nach dem Gestalten statt. Das Bild wird gemeinsam angeschaut. Ich deute nicht. Stattdessen helfen dir Fragen dabei, dein inneres Erleben zu erkunden:
"Wohin fällt dein Blick zuerst?"
"Wie empfindest du diese Form? Ist die Form daneben angenehm nah oder zu eng?"
Manchmal rege ich an, ein Folgebild zu malen oder etwas im Bild zu verändern oder zu ergänzen. Zum Beispiel, wenn die Krone eines Baumes am oberen Rand des Blattes abgeschnitten ist:
"Deute mal an, bis wohin die Krone gehen könnte, wenn Platz genug wäre? Möchtest du ein Blatt drankleben und weitermalen?"
In solchen Momenten achte ich darauf, dass diese Veränderung stimmig bleibt und nicht überfordert.
Am Ende steht ein kurzer Moment des Innehaltens: Was hat sich gezeigt? Was nimmst du mit?
Oft bleibt ein Gefühl von mehr Klarheit und innerer Ruhe – und das Wissen, dass Veränderung möglich ist.
Was Kunsttherapie konkret bewirken kann
A wie Angst bis Z wie Zwangsstörungen: Kunsttherapie kann bei vielen psychischen Problemen hilfreich sein. Denn all diese Symptomatiken sind letztlich Ausdruck von etwas, das tief unbewusst in dir stattfindet. Und genau dort setzt die Kunsttherapie an.
Kunsttherapie kann diverse Veränderungen im Leben und Erleben ermöglichen:
Selbstwert stärken & Selbstmitgefühl entwickelnÂ
→ du nimmst dich bewusster wahr, lernst dich anzunehmen
Selbstsabotage auflösen & Selbstwirksamkeit erfahrenÂ
→ du merkst, dass du handeln und etwas bewegen kannst
Eigene Grenzen erkennen bzw. Nähe zulassen lernenÂ
→ du findest Balance zwischen Rückzug und Verbindung
Traumatische Erfahrungen verarbeitenÂ
→ noch vorhandene Auswirkungen früherer Traumata kannst du schrittweise ablegen
Lebendigkeit und Ausdruckskraft spürenÂ
→ du entdeckst Freude am eigenen Tun und bist mehr im Kontakt mit dir selbst
Innere Klarheit erfahrenÂ
→ du erkennst Zusammenhänge zwischen alten Mustern, jetzigem Erleben und deinem Verhalten
Innere Stabilität und Selbstvertrauen entwickeln
→ du kannst Selbstzweifel loslassen und fühlst dich fester im Leben stehend
Fazit: Kunsttherapie fördert innere Veränderung – bewusst und unbewusst
Kunsttherapie wird offiziell nicht als eigenständige Psychotherapie gesehen, aber ihr Potential ist immens.
Durch den Zugang zum Unterbewusstsein wirkt kunsttherapeutisches Arbeiten auf einer tieferen Ebene. Schon das Gestalten selbst kann innere Prozesse in Bewegung bringen und Veränderung ermöglichen – oft bevor Worte sie beschreiben könnten.
Und das anschließende Betrachten und Besprechen des Werks aus der Beobachterperspektive lässt diese Prozesse bewusst werden und damit "begreifbar".
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Vera Arnold
Vor fast 20 Jahren begegnete mir ein Satz auf einem Plakat in einer vollen Berliner U-Bahn: "Ein Tag ohne Lächeln ist ein verlorener Tag" (Charlie Chaplin).
Der begleitet mich seither und ist ein Grund, warum ich Traumatherapeutin geworden bin.
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